Hintergrundwissen zur Leber

Virushepatitis - eine unterschätzte Gefahr

Weltweit sind Millionen von Menschen von einer Virushepatitis betroffen – teilweise ohne davon zu wissen. Durch symptomlose oder milde Verläufe mit unspezifischen Symptomen kann die Erkrankung lange unentdeckt bleiben. Chronische Verläufe mit teilweise schweren Langzeitfolgen können die Folge sein. Insbesondere Hepatitis E-Infektionen verzeichnen in den vergangenen Jahren eine ansteigende Inzidenz. Dabei können verschiedene Präventivmaßnahmen und eine frühzeitige Diagnose das Risiko einer Infektion oder eines schweren Verlaufs deutlich senken.

Was ist eine Virushepatitis?

Als Virushepatitis bezeichnet man die durch Hepatitis-Viren ausgelöste Entzündung des Leberparenchyms. Unterschieden werden fünf verschiedene Hepatitis-Virustypen: A, B, C, D und E, wobei die Typen B, C und E am häufigsten vorkommen. Jeder Virustyp hat spezifische Übertragungswege und Auswirkungen auf die Leber. Die Erkrankung kann akut oder chronisch (länger als 6 Monate) verlaufen, wobei besonders die Hepatitis-B und -C Viren eine starke Tendenz zur Chronifizierung haben und nicht selten zu schweren Folgeerkrankungen führen. Aber auch die Infektion mit Hepatitis-E Viren kann bei immunsupprimierten Personen chronifizieren. Pathophysiologisch kommt es zu einer Schädigung und Zerstörung von Hepatozyten durch eine körpereigene Immunreaktion. Die abgestorbenen Hepatozyten setzen Proteine und Enzyme frei, die zu einem Anstieg der Leberenzyme im Blut führen. Zusätzlich werden Stoffwechselfunktionen der Leber eingeschränkt, wodurch es zu einer Ansammlung von Bilirubin im Blut kommen kann, der sich durch Ikterus (Gelbsucht) bemerkbar macht.

Hepatitis E - immer noch unterschätzt

Die Infektion mit dem Hepatitis E-Virus (HEV) ist weltweit die häufigste Ursache akuter viraler Hepatitiden. Gemessen an der Seroprävalenz ist es auch in Deutschland die häufigste Hepatitis-Form, mit steigender Inzidenz über die letzten Jahre (2023: 5,52 pro 100.000 Einwohner). Ungefähr 16,8% der Deutschen weisen bereits Antikörper gegen HEV auf. Antikörper gegen HEV sind auch noch Jahre nach einer Infektion nachweisbar, ob eine lebenslange Immunität folgt, ist allerdings bisher noch unklar.

Die meisten HEV-Infektionen in Deutschland (ca. 95%) treten nicht, wie lange Zeit angenommen, als Reisekrankheit auf, sondern werden autochthon erworben. In Deutschland und Europa ist der Genotyp 3 endemisch, bei reiseassoziierten Infektionen, insbesondere bei Reisen in afrikanische und asiatische Länder, herrscht dagegen der Genotyp 1 und 2 vor. Der Genotyp 1 und 2 wird dabei fäkal-oral und von Mensch zu Mensch übertragen. Daher ist es wichtig, nicht abgekochtes Leitungswasser und unzureichend erhitzte Lebensmittel zu meiden. Für den Genotyp 3 scheint eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung unwahrscheinlich. Der wichtigste Übertragungsweg ist hier die zoonotische Übertragung durch rohes bzw. unzureichend erhitztes Schweinefleisch und Schweinefleischprodukte, aber auch eine parenterale Übertragung durch Blutprodukte ist möglich. Auch der nur in Teilen Asiens auftretende Genotyp 4 wird zoonotisch übertragen.

HEV-Infektionen variieren in ihrer klinischen Ausprägung von häufig asymptomatischen Verläufen bis hin zu seltenen fulminanten Hepatitiden. Die akuten Infektionen sind zumeist selbstlimitierend und heilen ohne Folgen aus. Es kann allerdings auch zu neurologischen Symptomen kommen. Ein kausaler Zusammenhang mit HEV wird für die neuralgische Schulteramyotrophie, das Guillain-Barré-Syndrom und Enzephalitis/Myelitis angenommen. Bei immunsupprimierten Personen nach Organtransplantation oder bei HIV-Infizierten kann es auch zu schweren chronischen Verläufen kommen. Insgesamt liegt die Letalität in Deutschland bei allen gemeldeten Fällen aber unter 1%.

Hepatitis A - die Reiseerkrankung

Das Hepatitis A-Virus (HAV) ist weltweit verbreitet. In Deutschland sowie in industriell entwickelten Ländern Europas und Nordamerikas ist die Inzidenz von HAV-Infektionen aufgrund von Hygienemaßnahmen niedrig. Die Übertragung erfolgt zumeist fäkal-oral durch Schmier- oder Kontaktinfektionen. In den allermeisten Fällen heilt die HAV-Infektion nach einem akuten Verlauf spontan und ohne Komplikationen aus.

Hepatitis B, C und D – die stillen Begleiter

Hepatitis B, C und D sind weltweit verbreitete Krankheiten. Ungefähr 5% der Menschen mit einer chronischen HBV-Infektion sind gleichzeitig auch mit dem Hepatitis D-Virus (HDV) infiziert. Die Übertragung von HBV, HCV und HDV erfolgt vorrangig durch den Kontakt mit kontaminiertem Blut, dabei sind sexuelle, parenterale und perinatale Übertragungswege relevant. Akute HBV- und HCV-Infektionen verlaufen häufig asymptomatisch oder mit nur geringgradigen Symptomen. Bis zu 10 % der HBV-infizierten Erwachsenen entwickeln einen chronischen Verlauf, häufig ohne, dass zuvor eine akute Erkrankung bemerkt wurde. Im Vergleich dazu geht die HCV-Infektion erheblich häufiger in eine chronische Form über (60-85% der Fälle). Etwa 16–20% der chronischen HCV-Infektionen und 8–10% der chronischen HBV-Infektionen führen als Spätfolge zu Leberzirrhose, die das Risiko für die Entwicklung eines hepatozellulären Karzinoms erhöht.

Labordiagnostik und Therapie 

Labordiagnostisch zeigen sich bei allen Virushepatitiden erhöhte Werte der Transaminasen, des direkten und indirekten Bilirubins im Serum sowie von Urobilinogen im Harn. Zur effektiven Labordiagnostik werden üblicherweise Antikörper-Bestimmung, Antigen-Tests und der Nukleinsäure-Nachweis unterschieden. Die Interpretation der Ergebnisse erfolgt anhand typischer Befundkonstellationen, die eine Unterscheidung zwischen frischer oder bereits abgelaufener Infektion, Infektiosität, Viruslast und Immunstatus ermöglichen. Da es sich bei Virushepatitiden gemäß §6 Infektionsschutzgesetz um meldepflichtige Erkrankungen handelt, wir bei Verwendung der Ausnahmekennziffer 32006 das Budget der Hausärztin/des Hausarztes für die labordiagnostischen Untersuchungen zum Nachweis der Infektion nicht belastet. 

Bei Patientinnen und Patienten mit einer chronischen HBV-Infektion kann gemäß S3-Leitlinie eine antivirale Therapie erfolgen, wobei die Indikationsstellung die ALT-Aktivität im Serum, die Höhe der Virusreplikation (Grenzwert 2000 IU/ml) und den Entzündungs- und Fibrosestatus in der Biopsie berücksichtigen sollte. 

Bei der chronischen HCV-Infektion reicht gemäß S3-Leitlinie der alleinige Nachweis einer Infektion zur Indikationsstellung einer antiviralen Therapie aus. Die Therapie mit direkt antiviralen Agentien (DAA) stellt den Therapiestandard dar. 
Für die akuten HAV- und HEV-Infektionen wird keine spezielle antivirale Therapie empfohlen. Gegebenenfalls kann eine rein symptomatische Behandlung erfolgen.

Prävention und Früherkennung: Impfung & Co. 

Impfungen: Impfungen sind die wichtigste primärpräventive Maßnahme zum Schutz vor Hepatitis. Es stehen monovalente und Kombinationsimpfstoffe gegen Hepatitis A und B zur Verfügung. Die Hepatitis B-Impfung schützt gleichzeitig gegen HDV. Die ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die Hepatitis B-Impfung als Standardimpfung für alle Säuglinge und Kleinkinder. Im Erwachsenenalter wird eine Impfung gegen Hepatitis A und B für besonders gefährdete Personengruppen empfohlen, darunter Personen mit bestimmten Erkrankungen sowie solche mit erhöhtem beruflichem und nichtberuflichem Expositionsrisiko. Gegen Hepatitis C und E gibt es bisher keine (in Europa zugelassene) Schutzimpfung. 

Hygienemaßnahmen: Allgemeine Hygienemaßnahmen wie der Verzehr von sauberem und desinfiziertem Wasser, das Durchgaren von Lebensmitteln sowie regelmäßiges Händewaschen mit Seife und Wasser, insbesondere nach dem Toilettengang und vor dem Essen, können die Übertragung von Hepatitis A und E reduzieren.

Vermeidung von Risikoverhalten: Die Vermeidung von ungeschütztem Geschlechtsverkehr mit unbekannten Partnern sowie die Nutzung von sterilen Nadeln kann das Risiko einer Übertragung von Hepatitis B, C und D verringern.

Vorsorgeuntersuchungen und Screening-Tests: Seit Oktober 2021 steht gesetzlich Krankenversicherten ab dem vollendeten 35. Lebensjahr einmalig ein Hepatitis B- und C-Screening im Rahmen der Gesundheitsuntersuchung zur Verfügung. Zudem sollten Personen mit hohem Risiko sowie Schwangere auf Hepatitisviren der Typen B und C getestet werden.

Fazit

Die Virushepatitis stellt eine bedeutende globale Gesundheitsproblematik dar. Insbesondere die Inzidenz von Hepatitis E steigt in Deutschland in den letzten Jahren durch endemische Übertragung stark an. Diese Infektion verläuft in der Regel akut und heilt gewöhnlich ohne Folgen von selbst aus. In seltenen Fällen kann es jedoch auch zum Auftreten von neurologischen Symptomen sowie schweren chronischen Verläufen bei immunsupprimierten Personen kommen. Die Prävention durch Impfungen, Hygienemaßnahmen und Früherkennung spielt eine entscheidende Rolle im Kampf gegen alle Virushepatitiden und ihre Verbreitung. Ein ganzheitlicher Ansatz, der sowohl individuelle als auch gesellschaftliche Aufklärungsmaßnahmen umfasst, ist entscheidend, um die Inzidenz von Virushepatitiden zu reduzieren.

Referenzen

  1. RKI:SURVSTAT @RKI 2.0 zuletzt abgerufen am 25.07.2024
  2. RKI-Ratgeber: Hepatitis E  zuletzt abgerufen am 23.07.2024
  3. RKI: Infektionsepidemiologisches Jahrbuch meldepflichtiger Krankheiten für 2020. zuletzt abgerufen am 15.07.2024
  4. RKI-Ratgeber: Hepatitis A zuletzt abgerufen am 17.07.2024
  5. RKI-Ratgeber: Hepatitis B zuletzt abgerufen am 23.07.2024
  6. RKI-Ratgeber: Hepatitis C zuletzt abgerufen am 23.07.2024
  7. Kassenärztliche Bundesvereinigung: Einheitlicher Bewertungsmaßstab (EBM).zuletzt abgerufen am 11.07.2024
  8. S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) zur Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Hepatitis-B-Virusinfektion. zuletzt abgerufen am 17.07.2024
  9. DGVS: Addendum zur S3-Leitlinie: Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Hepatitis-C-Virus (HCV)-Infektion. AWMF-Register-Nr.: 021/012 zuletzt abgerufen am 23.07.2024
  10. RKI: Epidemiologisches Bulletin 4/2024: Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut 2024 zuletzt abgerufen am 25.07.2024
  11. Kassenärztliche Bundesvereinigung: Praxisinformation September 2021 zuletzt abgerufen am 23.07.2024

 

 

Ihr Ansprechpartner

Dr. Martin Hampel
news@limbachgruppe.com

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