Vorsorge

Trisomie-Bluttest für Schwangere wird ab 2022 Kassenleistung

Der nicht-invasive Pränataltest (NIPT) zur Detektion von Trisomien im Rahmen der Pränataldiagnostik ist seit 2012 auf dem Markt. Bislang mussten werdende Eltern die Kosten selbst tragen, voraussichtlich ab Frühjahr 2022 wird der Test erstattungsfähig sein. Der entsprechende Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses trat am 9. November 2021 in Kraft. Was bedeutet diese Neuerung für Schwangere und für die betreuenden Ärzte?

Ethische Diskussion rund um den NIPT

Kinder mit Trisomien sind unterschiedlich stark beeinträchtigt. Während die seltenen Trisomien 13 und 18 deutlich schwerwiegendere Symptome wie Herzfehler und Fehlbildungen des Gehirns hervorrufen und zu einer geringen Lebenserwartung der Kinder führen, sind die Einschränkungen bei Trisomie 21 unterschiedlich stark. Viele Menschen mit Down-Syndrom führen nach eigener Aussage ein erfülltes Leben. Das Screening auf die Trisomien 13, 18 und 21 soll voraussichtlich ab Frühjahr 2022 erstattungsfähig sein. Kritiker befürchten eine Ausweitung der Tests durch die Kostenübernahme der Krankenkassen und damit eine Zunahme von Schwangerschaftsabbrüchen nach positivem Testergebnis. Behindertenverbände, Patientenvertreter und kirchliche Organisationen sehen darin eine verstärkte Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen und kritisieren die Kostenübernahme des Tests als indikationslose Kassenleistung. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) ist sich der Kontroverse um den NIPT bewusst, betont aber, wie wichtig es sei, werdenden Eltern eine Alternative zu invasiven Methoden, wie bspw. der Fruchtwasseruntersuchung, bieten zu können, die immer ein gewisses Risiko für Fehlgeburten bergen.

DEGUM-Regeln für die Durchführung eines NIPT

Vor der Durchführung eines NIPT ist eine intensive, qualifizierte, genetische Beratung der werdenden Eltern durch einen Facharzt obligatorisch. Hier besteht ein Arztvorbehalt. Zudem muss die verantwortliche ärztliche Person über die entsprechende Qualifikation verfügen. Es handelt sich hierbei um eine prädiktive genetische Untersuchung in Sinne des GenDG, welche eine fachgebundene genetische Beratung voraussetzt. Die Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM) hat dazu 10 goldene Regeln für die Durchführung eines NIPT-Tests formuliert. Darin betont die DEGUM, dass sich aus einem isolierten NIPT-Befund keine Indikationsstellung zum Schwangerschaftsabbruch ergibt und dass keine Aussagen zu strukturellen Fehlbildungen getroffen werden können, die jedoch den Großteil der perinatalen Anomalien ausmachen.
Ab der 10. Schwangerschaftswoche kann zellfreie fetale DNA aus dem mütterlichen Blut mithilfe eines NIPT molekulargenetisch auf Aneuploidie untersucht werden. Die DEGUM empfiehlt jedoch, Schwangere erst ab der vollendeten 12. Schwangerschaftswoche mittels NIPT zu testen, nachdem ein Ultraschall im Sinne eines frühen Fehlbildungsausschlusses durchgeführt wurde. Werdende Eltern  sollten außerdem dafür sensibilisiert werden, dass das Risiko für eine Chromosomenzahl-Störung wesentlich geringer ist als für Schwangerschaftsrisiken, wie bspw. Präeklampsie, die für Mutter und Kind sehr gefährlich sein können.

Statistische Aussagekraft des NIPT

Gemäß dem Beschluss des G-BA zur Änderung der Mutterschafts‐Richtlinien 2021 wurden die Qualitätsanforderungen an die verschiedenen NIPT festgelegt: Die Studienergebnisse zur Testgüte müssen den allgemeinen wissenschaftlichen Standards vollständig entsprechen und öffentlich zugänglich sein. Zur Bestimmung der Testgüte werden Sensitivität („richtig-positiv“) und Spezifität („richtig-negativ“) sowie positiver und negativer prädiktiver Wert (PPV und NPV) herangezogen. Alle Testverfahren zeichnen sich durch eine hohe Sensitivität und Spezifität aus.
Bei der Testgüte ist jedoch insbesondere der PPV von Interesse, also der Anteil der positiv getesteten Ungeborenen, bei denen tatsächlich eine Trisomie vorliegt. Der PPV ist stark von der Prävalenz der Erkrankung in der untersuchten Population abhängig. Da das Risiko für fetale Trisomien mit zunehmendem Alter der werdenden Mutter stark ansteigt (siehe Tabelle 1), ist der PPV eines Tests in den verschiedenen Altersstufen der Schwangeren unterschiedlich. Je jünger die Schwangere ist, desto geringer ist also die Wahrscheinlichkeit, dass das Ungeborene bei positivem Testergebnis tatsächlich eine Trisomie aufweist. Dies ist insbesondere bei Trisomie 21 wegen der vergleichsweise hohen Prävalenz im Vergleich zu den anderen Trisomien zu beachten.

Alter der SchwangerenTrisomie 13Trisomie 18Trisomie 21
20 - 24 Jahre1 von 10.0002 von 10.0008 von 10.000
25 - 29 Jahre1 von 10.0002 von 10.00010 von 10.000
30 - 34 Jahre2 von 10.0003 von 10.00017 von 10.000
35-39 Jahre4 von 10.00010 von 10.00052 von 10.000
über 40 Jahre10 von 10.00041 von 10.000163 von 10.000

Tabelle 1: Adaptiert von der Versicherteninformation des G-BA „Der nicht invasive Pränataltest (NIPT) auf Trisomie 13, 18 und 21“: Prävalenz der Trisomien 13, 18 und 21 nach Alter der Schwangeren

 

Beratung der werdenden Eltern

Der NIPT ist kein Ersatz für die diagnostischen Untersuchungen im Rahmen der empfohlenen Vorsorgeuntersuchungen während der Schwangerschaft und wird auch durch den neuen Beschluss nicht Teil davon. Vielmehr ist der NIPT eine Testmethode ohne Fehlgeburtsrisiko für Schwangere, denen das Wissen um das Vorliegen einer Trisomie persönlich wichtig ist. Dies sollten die betreuenden Ärzte laut G-BA klar kommunizieren und die werdenden Eltern dafür sensibilisieren, dass die statische Aussagekraft des Tests wie oben beschrieben limitiert sein kann und eine Bestätigung der Ergebnisse in jedem Fall mittels invasiver Methoden erfolgen muss.
Ebenfalls sollten sich werdende Eltern vor Durchführung des Tests darüber im Klaren sein, was ein positives Testergebnis für sie bedeuten würde. Die intensive, qualifizierte ärztliche Beratung ist Voraussetzung für die Kostenübernahme, ebenso wie das Aushändigen der Versicherteninformation „Bluttest auf Trisomien ‐ Der nicht invasive Pränataltest (NIPT) auf Trisomie 13, 18 und 21“ in schriftlicher Form. Das Ergebnis der Testung muss der Schwangeren in verständlicher Weise erklärt und für sie statistisch eingeordnet werden, insbesondere bei Vorliegen eines positiven Ergebnisses.

Fazit

Die Erstattungsfähigkeit der nicht-invasiven Pränataltests trägt den Entwicklungen im Bereich der Screening-Methoden Rechnung. Laut G-BA sei es medizinisch sowie rational wichtig, interessierten Schwangeren nach umfassender genetischer Beratung eine sichere Alternative zu invasiven Methoden zu bieten. Die Limbach Gruppe bietet Ihnen ausführliche Informationen zu Vorsorge- und IGeL-Leistungen während der Schwangerschaft, sowie zum verwendeten NIPT.


Quellenangaben:

  1. Versicherteninformation „Bluttest auf Trisomien Der nicht invasive Pränataltest (NIPT) auf Trisomie 13, 18 und 21“: www.g-ba.de/downloads/17-98-5156/2021-11-09_G-BA_Versicherteninformation_NIPT_Ansichtsexemplar.pdf, abgerufen am 02.12.2021 
  2. Diskussion um Trisomie-Bluttest als Kassenleistung: www.spektrum.de/news/diskussion-um-trisomie-bluttest-als-kassenleistung/1843231, abgerufen am 02.12.2021 
  3. Tragende Gründe zum Beschlussentwurf des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Mutterschafts-Richtlinien (Mu-RL): www.g-ba.de/downloads/40-268-5640/2019-03-22_Einleitung-SN_NiPT_Beschlussentwurf_TrG_WZ.pdf, abgerufen am 02.12.2021
  4. Nichtinvasive Pränataltests: Warum diagnostische Tests oft fehlinterpretiert werden: www.aerzteblatt.de/nachrichten/108646/Nichtinvasive-Praenataltests-Warum-diagnostische-Tests-oft-fehlinterpretiert-werden, abgerufen am 02.12.2021
  5. Kypri E et al., Molecular Cytogenetics 2019; 12:34: Non-invasive prenatal testing of fetal chromosomal aneuploidies: validation and clinical performance of the veracity test
  6. Positive Predictive Value and Interpretation of Results of the Harmony® Prenatal Test: sequencing.roche.com/content/dam/rochesequence/worldwide/resources/MM-00757_Webpage_PPV-Harmony_Test_Interpretation.pdf, abgerufen am 02.12.2021  
  7. Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin e.V. (DEGUM): 10 goldene Regeln für die
    Durchführung eines NIPT-Tests. Board d. Sektion Gyn/Geb, 17.02.2020: www.degum.de/fileadmin/dokumente/sektionen/gynaekologie/Informationen_zum_Fach/NIPT-10-goldene-Regeln_AK_v2020-02-17.pdf, abgerufen am 13.01.2022  
     

Ihr Ansprechpartner

Dr. Martin Hampel
news@limbachgruppe.com

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